SBB Historic, Extrafahrt zum 100jährigen Jubiläum der Schweizer Krokodile

 

Teil 2 – Rückfahrt von Bellinzona nach Erstfeld

 

„Attenzione, binario uno, treno speciale cento anni coccodrillo per Erstfeld, entrare prego!“ und „Achtung, Gleis 1, Extrazug 100 Jahre Krokodil nach Erstfeld, einsteigen bitte!“, ertönt es in einer angenehmen Stimme einer Dame aus den Lautsprechern entlang des Perrons vor dem Empfangsgebäude des Bahnhofes.

Die letzten Fotografen eilen durch den Regen von der Zugspitze zu ihrem Waggon und die Türen können geschlossen werden.

Das Ausfahrsignal wechselt auf grün und erlaubt die Abfahrt. Wir öffnen vorsichtig unser Fenster, damit nicht zu viel des Regenwassers eindringen kann, um gleich dem Personal und der Lokomotiven zu lauschen. Und dann, zwanzig Minuten nach Plan, eröffnet unser Zugchef mit einem Achtungspfiff und dem Abfahrtsbefehl an den Lokführer den Chor der Lokomotiven. Die zugführende rote Re 4/4 II bestätigt zuerst mit lautem Pfiff, dann antwortet die hinter des noch jungen roten „Mädchen für alles“ gekuppelte braune Ce 6/8 II – 14253, in Folge die grüne Be 6/8 III – 13302 und abschliessend noch das grüne Reptil Ce 6/8 III – 14305.

Nach dem Genuss des akustischen Spektakels schließen wir das Fenster, während unser Zug beschleunigt und nach passieren des Depots und des Güterbahnhofes San Paolo die Stadt Bellinzona in nördlicher Richtung verlässt.

Ohne Halt durchfährt der „Treno speciale cocodrillo“ Castione-Arbedo und die aufgelassenen Stationen Clara und Osagna-Cresciano bis wir bei Giustizia von der neuen Hauptstrecke auf die Gotthard-Bergstrecke abzweigen. Wir passieren Biasca und blicken bei Pollegio auf die schmucklosen Portale des neuen Basistunnels, sowie auf das Informationszentrum zum Bau des Basistunnels gegenüber.

Wenig später treffen wir in Bodio ein. Hier haben wir einen Betriebshalt ohne Ausstiegsmöglichkeit, da uns die „Rote“ hier verlassen möchte, um zeitig zum Feierabend ihr Heimatdepot in Bellinzona zu erreichen. »Danke dir Re Vier Vier!«

Zum Abschied der sich im besten Alter befindlichen Kollegin stimmen die Lokpersonale den Chor der Lokomotiven an. Stolz dabei gewesen zu sein, antwortet die „Rote“ mehrmals. Ja, und nur wenig später grüßt in Lavorgo der kreuzende Gotthard-Panorama-Express die Jubilare, ihre Personale und die Teilnehmer an der Jubiläumsfahrt im illustren Extrazug. Der Chor der Lokpfeiffen will gar nicht mehr verstummen. Beeindruckende große Oper von den Lokifahrern auf den Maschinen für die Eisenbahnfreunde im Zug und draußen im strömenden Regen an den Gleisen!

Dann beginnt unser Zug den Anstieg zum alten Gotthard-Tunnel. „14253“, „13302“ und „14305“ haben scheinbar keine Mühen mit unserem Zug. Es folgen neben zahlreichen anderen Tunneln, die Kreiskehrtunnel Travi, Pianotondo, Prato und Artoito. Zwischen Bodio und Airolo gewinnt der altehrwürdige Streckenverlauf um 811 Meter an Höhe. Im Bahnhof von Airolo haben wir unseren vorletzten Fotohalt bei wenig Licht und anhaltendem Regen.

Zudem ist Zeit für einen gewagten aber interessanten Vergleich:

Mit 1142 Meter liegt Airolo auf gleicher Höhe wie der Brockengipfel im Harz, Bellinzona ähnlich hoch wie die Stadt Wernigerode. Die Südrampe der alten Gotthardstrecke misst eine Streckenlänge von rund 64 Kilometer, die Streckenlänge von Wernigerode zum Brocken rund 33 Kilometer.

Zurück in die Hochalpen. Der Chor der Lokomotiven verstummt, wir verlassen den Bahnhof von Airolo und fahren sogleich in das Südportal des Gotthardtunnels ein und beschleunigen auf eine gemütliche Reisgeschwindigkeit zur Durchquerung des imposanten Bauwerks.

„Ticino addio“ – „Willkommen im Kanton Uri“ – nein, unterhalb des Alpen-Hauptkamms gibt es im Tunnel kein Hinweisschild der SBB und auch keine Durchsage des Zugpersonals. So passieren wir unbemerkt die italienisch-deutsche Sprachgrenze und erreichen den Bahnhof von Göschenen zum letzten Zwischenhalt.

Nochmals bietet sich den Fotografen die Möglichkeit für das perfekte Foto der Krokodile. Wenn sich da nur nicht immer jemand vor das Objekt der Begierde stellen würde! Doch plötzlich eine Lücke und die braune Jubilarin zeigt sich frei von allen Mitreisenden.

Nun heißt es wieder Einsteigen zur letzten Etappe – die Talfahrt über die Nordrampe nach Erstfeld.

Im Erstfelder Bahnhof bietet sich abschließend die Möglichkeit den Krokodilen beim Rangieren in das berühmte Depot zuzusehen oder die Fahrzeuge nochmals mit der Kamera abzulichten. Der schmucke Zug steht mittlerweile fast alleine am Bahnsteig, daher nehme ich mir die Zeit und fotografiere alle Wagen, denn die Fahrt hat den Wunsch geweckt diese Wagenreihung mit den drei Krokodilen vielleicht irgendwann mal auf der heimischen Modellbahn zu fahren …

Peter schlägt vor zum Depot zu gehen, um uns von den zur Parade aufgestellten heutigen Stars der Schiene, mit der Kamera zu verabschieden. Ein Moment, der so schnell wohl nicht wieder zu erleben sein wird.

Wir hoffen, dass wir euch mit diesem Bericht und den nachfolgenden Fotos von Peter Brühwiler und mir, einen kleinen Eindruck von diesem großartigen Ereignis vermitteln konnten.

 

Erzählung: Reinhard Schüler

Fotostrecke: © Archiv Peter Brühwiler, © Archiv Reinhard Schüler

Nachfolgend weitere Video-Empfehlungen von Tessiner Eisenbahnfreunden:

„100 anni di un’icona svizzera: il Coccodrillo del Gottardo“

Ein sehr ansprechendes Video von Leonardo Ballini, Corti Ferroviari Amatoriali, eingestellt auf YouTube. Spieldauer 18:28 min

Mit viel Gefühl gezoomte Ausfahrt aus Erstfeld, schöne Einstellungen bei Wassen und Göschenen, Rodi-Fiesso und der Gallerie Elicoidali della Biaschina, Re 4/4 Vorspann ab / bis Bodo, sehr schöne Aufnahmen von der Rückfahrt, darunter Szenen, wie die Galleria Elicoidale di Freggio und von vielen anderen gut gewählten Standorten. Besonders hervorzuheben ist, dass das der Zug immer wieder schon aus der Ferne erscheint, dann bei eingezogener Brennweite die Kamera passiert und ruhig und in ganzer Länge aus dem Blickfeld fährt. 

„100 anni di Coccodrilli“

Video von Daniele Quattroe, eingestellt auf YouTube, Spieldauer 20:07 min.

Stimmungsvolle Szenen von der Fahrt des Extrazuges auf der Nord- und Südrampe, Themenwechsel durch eingefügte Fotos gekennzeichnet, viele Aufnahmen von den Hängen auf die Strecke, Landschaft und Bahn auch unter schwierigen Lichtverhältnissen gekonnt gefilmt. 

Eine kleine Zugabe zum Abschluss:

Zwei Abbildungen vom braunen Kroki und anderen Lokomotiven von SBB Historic.

Fotos: Peter Brühwiler