Ehrenlokführer – die Anfänge

 

Informationen, Berichte und Dokumente aus der Anfangszeit des Clubs DR Ehrenlokführer. Nach Unterlagen von Johannes Schöneberg, aufgearbeitet von Frieder Jehring.

 

In den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts existierten bei der Deutschen Reichsbahn (DR), dem flächendeckeneden staatlichen Eisenbahnbetrieb der gerade am Ende ihrer Geschichte angelangten Deutschen Demokratischen Republik (DDR), die entscheidenden Voraussetzungen für das Hobby, welches uns spätere Mitglieder des Clubs DR Ehrenlokführer vereint. Einige dampfbetriebene Bahnen waren wie selbstverständlich noch im regulären Betrieb, hatten noch „traditionelle“ Fahrpläne im Reiseverkehr von den frühen Morgenstunden bis in die späten Abendstunden und außerdem eine gute Personaldecke. Weiterhin gab es noch regulären Ausbildungsbetrieb für Dampflokpersonale (Lokfahrschule Güstrow). Unter den Eisenbahnern – im Fahrdienst bis zur Verwaltung – gab es viele, die ihre Begeisterung für die Eisenbahn „lebten“ und auch aufgeschlossen waren, ihre Begeisterung an interessierte Laien weiterzugeben. Durch die politische „Wende“ und die deutsche Wiedervereinigung von früheren Zwängen entlastet, und Chancen durch Einfallsreichtum und Engagement verspürend (ohne hier die neuen, oft massiven Probleme der ehemaligen DDR-Bevölkerung durch die weitgreifenden Umstellungen kleinreden zu wollen), entstand auf dem Weg von Nachfrage und daraus folgendem Angebot bei vielen Einsatzstellen der DR die Möglichkeit, ganz offiziell „Ehrenlokführer“ (ELF)-Kurse zu belegen. Üblich waren z.B. 10-Tages-Kurse, die auch „Ausbildungen“ genannt wurden und in der Tat auch so strukturiert waren. Die DR verlangte dafür Entgelt in „ordentlicher“ Höhe, doch wie wir meinen, durchaus berechtigt – es waren ja auch Kosten und Risiken damit abzudecken. Ein ganz wichtiges Stichwort: Es gab zu dieser Zeit eine viel höhere Risikobereitschaft der Verantwortlichen in den Verwaltungsetagen, als es sich in der allgemeinen Entwicklung zur heutigen Situation hin herausgebildet hat. Man hat nicht jede denkbare Eventualität, was vielleicht „passieren“ könnte, sofort zum absoluten Ausschlusskriterium für so ein Angebot hochstilisiert. So kamen wirklich zahlreiche Interessenten unter den Hobby-Eisenbahnern in den Genuss einer solch grundlegenden Ehrenlokführer-Ausbildung. Und den Datenschutz hatte man seinerzeit auch nicht so übermäßig ausgebaut wie es heute der Fall ist: Es war kein Problem, Adresslisten von Ausbildungsteilnehmern an unsere Vereinsgründer auszuhändigen! Damit war eine gezielte, persönlich anprechende Mitgliederwerbung durchführbar, in deren Folge der 1992 gegründete Club auf über 200 Mitglieder anwuchs.

Auf den hier eingebundenen Seiten zeigen wir Dokumente aus dieser, unserer Anfangszeit. Zum Einen gibt es Berichte von Ehrenlokführern über ihre damaligen Erlebnisse, und zum Anderen findet sich hier ein Archiv von Zeitdokumenten zum Gründungsprozess des Clubs DR Ehrenlokführer. Jeder ELF-Kollege, der sich gerne an diese Zeit erinnert, möge in Erwägung ziehen, hier einen eigenen Erlebnisbericht hinzuzufügen.

Hier noch eine Liste der damals existenten Angebote der DR (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):

Schmalspurbahn Bad Doberan – Kühlungsborn (900 mm) „Molli“
Schmalspurbahn Putbus – Göhren (750 mm) „Rasender Roland“
Schmalspurbahn Wernigerode – Brocken (1000 mm) „Brockenbahn“
Schmalspurbahn Oschatz – Mügeln (750 mm) „Wilder Robert“
Schmalspurbahn Radebeul-Ost – Radeburg (750 mm) „Lößnitzdackel“
Schmalspurbahn Freital-Hainsberg – Kurort Kipsdorf (750 mm) „Weißeritztalbahn“
Schmalspurbahn Zittau – Oybin / Kurort Jonsdorf (750 mm) „ZOJE“
Schmalspurbahn Cranzahl – Oberwiesenthal (750 mm) „Fichtelbergbahn“
Lokfahrschule Güstrow (vorwiegend Angebote auf Regelspur)

Die Kurse fanden integriert in den alltäglichen Betriebsablauf statt. Im Bw stand in aller Regel eine Reservelok unter Dampf, auf der man die ersten Fahr- und Bremsversuche im Bw-Gelände machen konnte. Die Streckenkunde-, Trainings- und Prüfungsfahrten, bei denen auch die Ehrenlokführer unter Aufsicht am Regler standen, erfolgten mit öffentlichen Planzügen.

Leider ist heute bei keiner dieser Bahnen mehr so ein Angebot verfügbar. Alle existieren noch, wurden aber privatisiert, modernisiert, fahren nach erheblich reduzierten Fahrplänen (oft mit nur noch 1 Lokomotive planmäßig unter Dampf und auf der Strecke), haben eine dünne Personaldecke und sehen sich im Fall von Schäden unter ELF-Beteiligung immensen Folgekosten-Risiken ausgesetzt, weshalb für Risikofaktoren und „Belastungen“ durch Laien im Betriebsablauf kein Platz mehr ist.

Man muss schon sagen „Zum Glück“ haben nach und nach ehrenamtlich tätige Eisenbahnvereine, bundesweit und auch außerhalb Deutschlands, den Wunsch von Interessierten erkannt und bieten heute Ehrenlokführer-Kurse an, allerdings liegen diese vom Umfang und Anspruch her deutlich unter dem Niveau der früheren DR-typischen Ausbildungen, was den Vereinen aber keinesfalls vorzuwerfen ist, denn wie sollten sie so eine Aufgabe bewältigen können? In unserem Clubmagazin „News Facts & Stories“ (NFS) veröffentlichen wir ab und zu die uns bekannten Möglichkeiten für solche Erlebnisse auf echten Führerständen in der Rubrick „Fahrmöglichkeiten“. So ein Erlebnis könnte auch Ihr Einstieg zur Mitgliedschaft in unserem Club werden!

Unterseiten:

Gründungsdokumente
Molli 1991

Relevantes von unserer Homepage:

Über den Club
NFS Clubnachrichten
Beitrittsunterlagen

Weiterführende Informationen:

{Wikipedia-Seiten zu den genannten Bahnen}

Entwurf für die Seite „Molli 1991“

Ehrenlokführer-Lehrgang beim „Molli“ im Jahre 1991

Erlebnisbericht von Johannes Schönenberg, ELF-Clubmitglied und Angehöriger des Stammtischs Südwest

Hannes hat das Erlebnis seines initialen ELF-Lehrgangs bei der Schmalspurbahn Bad Doberan – Kühlungsborn an der Ostseeküste schon gleich damals beeindruckend ausführlich dokumentiert. Dazu nutzte er die seinerzeit noch absolut gängige Praxis, den Bericht auf Schreibmaschine zu tippen und Illustrationen einzukleben. Auch deshalb ist dieser Bericht mit den beigefügten Originaldokumenten in mehrfacher Hinsicht ein tolles Zeitzeugnis – ganz abgesehen von Hannes‘ inhaltlich lebendiger, mitreißender Darstellung! Wir können miterleben, wie in der Epoche unserer Clubgründung solche ausführlichen Lehrgänge abliefen und damit auch echte Faszination hevorbrachten; wir sehen Faksimiles der Briefwechsel und mancher dienstlicher Dokumente; wir betrachten einen liebevoll gemachten Schreibmaschine-Klebe-Satz; und auch das „Drumherum“ abseits des Führerstands erleben wir mit.

Wir danken Hannes ganz herzlich für die Zusendung dieses Zeitdokuments und haben es zur Veröffentlichung eingescannt. Auf eine Transkription verzichten wir, denn das Erfassen des Inhalts muss man einfach in Einheit mit der historisch passenden optischen Darstellung erleben. Nur das haptische Empfinden beim Blättern in den Papierseiten können wir hier nicht vermitteln. Am besten, Sie laden sich die hier abrufbaren Dokumente herunter und nehmen sich Zeit, Tag für Tag ein Kapitel zu lesen – dazwischen mal mit der Modellbahn ein paar Runden drehen … Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Eintauchen in eine leider schon längst vergangene Epoche!

Downloads:

Erlebnisbericht (19 MB) {JoSchö – Erlebnisbericht Molli 1991.pdf}

Schriftstücke 1 12.02.-02.03.1991 {Briefwechsel DR – JoSchö zur Ausbildung auf dem Molli zum ELF.pdf}
Schriftstücke 2 12.-18.03.1991 {Briefwechsel DR – JoSchö 1991.pdf}
Schriftstücke 3 12.-18.03.1991 {Vertrag DR – Joschö 1991.pdf}
Ausbildungsbeschreibung {Ausbildung auf Molli zum ELF.pdf}
Fahrplan {Fpl KBS 785 1991.pdf}
Lokomotivdaten {Daten Einheitslok 99 32.pdf}
zur Molli-Geschichte {JoSchö – Zur Geschichte des BW Rostock und zur Kleinbahn Bad Doberan.pdf}